Brennpunkt Immofinanz – Abrechnung mit dem „System Petrikovics“
Doch nach vier Jahren Ermittlungen rund um die Mutter aller heimischen Anleger-Affären geht es bloß um ein umstrittenes Aktien-Optionsgeschäft der fünf Beschuldigten.
Nur durch das Platzen der Immofinanz-Blase wurden die dubiosen Machenschaften rund um die Privatisierung von gut 60.000 Buwog-Wohnungen – ein bis heute umstrittener 961-Millionen-Deal des ehemals unumstrittenen Konzernchefs Karl Petrikovics – aufgedeckt.
Kurshöchststand: 12,54 Euro pro Aktie im April 2007. Tiefststand des Immofinanz-Papiers: 28 Cent im November 2008. Innerhalb eines guten Jahres ist der Wert eines der bis dahin größten Immobilienkonzerne Europas nahezu zur Gänze hinweggeschmolzen. Je nach Rechnung haben sich zwischen zwölf und 15 Milliarden Euro Anlegerkapital praktisch in Luft aufgelöst. Die unmittelbar darauf eingeleiteten Strafermittlungen offenbarten ein bis heute kaum überblickbares Firmenkonstrukt rund um den Kernkomplex Immofinanz / Immoeast / Constantia Privatbank, das allem Anschein nach darauf angelegt schien, mit gigantischen, gruppeninternen Transaktionen den Aktienkurs zu manipulieren und so die Anleger möglichst lange hinters Licht zu führen.
Der Begriff Immofinanz ist damit zum Synonym für Finanzskandale der jüngeren österreichischen Geschichte aller Art schlechthin geworden. Mehr noch: Er gilt inzwischen als die Mutter aller größeren Wirtschafts- und Politaffären dieses Landes.
Nur durch das Platzen der Immofinanz-Blase wurden die dubiosen Machenschaften rund um die Privatisierung von gut 60.000 Buwog-Wohnungen – ein bis heute umstrittener 961-Millionen-Deal des ehemals unumstrittenen Konzernchefs Karl Petrikovics – aufgedeckt. Nur so kamen die klandestinen Seilschaften rund um diskrete Vermittler wie Peter Hochegger oder Walter Meischberger ("Wos woa mei Leistung“) ans Tageslicht. Nur deswegen steht heute der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser im Visier der Justiz. Und nur durch deren Immofinanz-Ermittlungen konnte letztlich auch der Telekom-Skandal aufgerollt werden.
Der Prozess
Nach vier Jahren umfangreicher staatsanwaltschaftlicher Erhebungen startet nun am 22. Jänner 2013 am Wiener Straflandesgericht unter dem Vorsitz von Richterin Claudia Moravec-Loidolt der erste Immofinanz-Prozess, dessen Ende für den 28. Februar anberaumt ist. Verhandelt werden jedoch nicht die zu Beginn der Affäre erhobenen Verdächtigungen wie Anlegerbetrug und -täuschung, Marktmanipulation oder Beweismittelfälschung, um nur einige zu nennen. Sondern es geht lediglich um einen kleinen Detailaspekt rund um ein fragwürdiges Aktienoptionsgeschäft des ehemaligen Immofinanz-Managements im Ausmaß von etwa 32 Millionen Euro.
Staatsanwalt Volkert Sackmann erhebt in seiner bereits am 16. Dezember 2011 eingebrachten Anklage gegen die Beschuldigten Karl Petrikovics und Norbert Gertner, Ex-Vorstände von Immofinanz, Immoeast und Constantia Privatbank, Helmut Schwager, ehemaliger Aufsichtsratspräsident der Immofinanz, sowie den ehemaligen Konzernmanager Christian Thornton und den Steuerberater Ernst Hable den Vorwurf der Untreue und partiell auch der Bildung einer kriminellen Vereinigung "durch teilweise im Wege von Treuhändern verschleierte Aktienoptionsgeschäfte (mit) einem endgültigen Schaden in der Höhe von 7.147.500 Euro“.
Sackmann schreibt in seiner Anklage-"Conclusio“ zusammenfassend: "Petrikovics, Gertner und Schwager verfolgten das Ziel, sich selbst in größtmöglichem Ausmaß, ohne Rücksicht auf die Interessen der von ihnen vertretenen Gesellschaften und Anleger, unrechtmäßig zu bereichern.“
Die Basis dieser Anklage bildet ein 160-seitiger "Befund“ des bereits von Beginn an in die Ermittlungen eingebundenen Wirtschaftsprüfers und Gutachters Gerhard Altenberger vom 27. Juni 2011 mit dem Titel "Faktum Hable“.
Dieses Gutachten über jene auf die Jahre 2003 bis 2007 zurückgehenden Aktienoptionsgeschäfte der Beschuldigten kommt im Wesentlichen zum Schluss, dass sich die Herrschaften ohne Erlaubnis des zuständigen Aufsichtsrates ein sattes Zubrot zulasten der Aktionäre gegönnt hätten. Der Kernsatz der Altenberger-Analyse, leicht verkürzt: "Zusammenfassend ist auszuführen, dass die Aufsichtsräte der Immofinanz … grundsätzlich Gespräche über eine Finanzierungszusage eines Ankaufes von Aktien der Immoeast durch Petrikovics und Gertner geführt haben, es aber wegen gesellschaftsrechtlicher Bedenken nicht zu einer Umsetzung der angedachten Finanzierung kam. Auch liegen keine schriftlichen und von allen Mitgliedern des Aufsichtsrates unterfertigten Beschlüsse des Aufsichtsrates der Immofinanz … vor. Es liegt also kein formaler Beschluss des Aufsichtsrates der Immofinanz zur Finanzierungszusage der Immofinanz an Petrikovics und Gertner vor.“
Die Beschuldigten, die einen Teilbetrag in der Höhe von 8,66 Millionen Euro bereits am 17. November 2008 zurückgezahlt haben, was von manchen als Schuldeingeständnis gewertet wurde, bestreiten dies. Sie behaupten, dass es sehr wohl einen Aufsichtsratsbeschluss für dieses Aktienoptionsgeschäft gegeben habe. Um dies zu untermauern, hatte Karl Petrikovics fristgerecht am 3. Jänner 2012 Einspruch gegen die Klage erhoben. Darin bemängeln seine Anwälte Wolfgang Brandstetter und Otto Dietrich, dass "die Staatsanwaltschaft die im Ermittlungsverfahren gestellten Beweisanträge beharrlich ignoriert (und) in außergewöhnlich drastischer Weise das Objektivitätsgebot verletzt“ hätte.
Dem Einspruch war ein von Petrikovics in Auftrag gegebenes Gegengutachten des Wirtschaftsprüfers Thomas Keppert beigefügt, das nicht nur die Standpunkte der Beschuldigten verteidigt, sondern auch die Anklageschrift süffisant hinsichtlich vermeintlicher Schlampereien kommentiert. Keppert in Kürze: "So werden etwa im Firmenbuch leicht zu verifizierende Fakten falsch wiedergegeben … Mag. Thornton wird auf Seite 1 als ledig, auf Seite 14 als verheiratet geführt … der 9. 4. 2004 war kein Samstag, sondern ein Freitag …“
Im Oberlandesgericht Wien herrschte auf diese Vorhaltungen hin ein halbes Jahr lang Funkstille. Worauf Petrikovics im Juni 2012 seinen Einspruch schließlich zurückzog und damit den Weg zur Prozesseröffnung freimachte. Dabei soll geklärt werden, ob es sich bei den inkriminierten Aktienoptionsgeschäften nun um eine weithin übliche Form von Bonuszahlungen oder doch um eine ungerechtfertigte Bereicherung und damit Untreue gehandelt hat.