Kein Frieden an der Klagsfront

7.000 Vergleiche von unzufriedenen Kunden mit Versicherungen hat es im Vorjahr gegeben, und noch ist kein Ende der Auseinandersetzungen vor Gericht in Sicht. Im Gegenteil: Knapp 500 Klagen gegen Assekuranzen hat der Prozessfinanzierer Advofin derzeit laufen. Im Grunde geht es dabei immer um einen zu geringen Rückkaufs- bzw. Rücktrittswert der jeweiligen Versicherung im Verhältnis zu den eingezahlten Prämien. Diese würden nicht nachvollziehbar dargestellt, erklärt Advofin-Chef Franz Kallinger. Momentan zeichnet sich gerade eine neue Klagewelle ab. Dabei stehen vor allem fondsgebundene Versicherungen im Mittelpunkt, so Kallinger. Bei diesen handle es sich auch aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs eigentlich um keine Versicherung, weil der eigentliche Zweck im Falle eines Ablebens fehle. Das gesamte Risiko werde auf den Kunden abgewälzt, dieser bekomme nicht mehr als den Fondswert beim Ableben ausbezahlt. Im Prinzip seien unter dem Deckmantel einer Versicherung Fonds verkauft worden, so Kallinger. Deshalb sieht Advofin auch eine „Täuschung und Fehlberatung der Kunden“.

Der für Advofin tätige Anwalt Ulrich Salburg hat sich zweier Fälle angenommen, die als exemplarische Beispiele für ein schlechtes Geschäft mit Lebensversicherungen stehen. Bei beiden sollten Kunden viel weniger bei Rücktritt bzw. Rückkauf herausbekommen, als sie an Prämien einbezahlt haben.

Ein Fall, bei dem am 18. April Klage in Wien eingebracht wurde, betrifft die Zürich Safe Invest. Salburg: „Das ist die erste Klage, bei der wir geltend machen, dass es sich dabei um keine Versicherung handelt.“ Konkret wurde dem Kunden laut der Polizze aus dem Jahr 2008 eine Mindesttodesfallsumme von 6.057,68 Euro garantiert – und das bei einer Prämiensumme von 121.153,62 Euro über eine Laufzeit von 42 Jahren. Die andere Causa betrifft zwei Polizzen mit einer Laufzeit von 30 bzw. 35 Jahren bei der Nürnberger Versicherung von 2003: Bei diesen waren je rund 57.322 Euro an Prämien einbezahlt worden, der Rückkaufswert Ende 2015 bzw. Anfang 2016 betrug 19.121 Euro bzw. 17.528 Euro. Jetzt wird der Differenzbetrag eingeklagt.

Sowohl Zürich als auch Nürnberger wollen sich aus Datenschutzgründen zu den Fällen nicht äußern; Nürnberger- Chef Kurt Molterer betont, der betroffene Kunde sei korrekt über die Rücktrittsfrist informiert worden. Und beide Versicherungen erklären, dass fondsgebundene Lebensversicherungen ein „erstklassiges und maßgebliches Instrument“ für den Vermögensaufbau und zur langfristigen Altersvorsorge seien. Im Gegensatz zu Anwalt Salburg, der in ihnen „ein Geschäft für die Assekuranzen, aber nicht für die Kunden“ sieht und eine „systematische Fehlberatung“ ortet. Aufgrund der hohen damit verbundenen Gebühren könnten die Renditeversprechungen nicht eingehalten werden. Dieses Geschäftsmodel der Versicherungen, bei dem Länge der Laufzeit und Höhe der Provision korrelierten, müsse grundsätzlich hinterfragt werden.

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(„News“, Print-Ausgabe, 25.05.2018)