Justizinterne Grabenkämpfe um Meinl

Wien – Im Vergleich zur Causa Meinl erscheint selbst der Fall Karl-Heinz Grasser harmonisch zu verlaufen. Im Unterschied zu den Buwog-Ermittlungen kommen sich nämlich die involvierten Behörden in der Sache Meinl immer wieder in die Haare und geben Einblick in die Praxis heikler Weisungen. So wurde im Oktober schon zum zweiten Mal eine Festnahme von Meinl-Bank-Chef Peter Weinzierl abgelehnt.

Dem Banker wird von der Staatsanwaltschaft u. a. Untreue und Versuch der betrügerischen Krida im Zusammenhang mit der Ausschüttung einer Sachdividende in Höhe von 212 Millionen Euro an eine Meinl-Holding vorgeworfen. Bei einer Hausdurchsuchung vor zwei Jahren fanden die Ermittler diverse Dokumente nicht auf dem Bankserver und gingen daher davon aus, dass der Manager relevante Daten auf seinem Acer Iconia W501P speicherte. Weil Weinzierl das Gerät nicht aushändigen konnte oder wollte, beantragte der zuständige Staatsanwalt die Festnahme wegen Verdunkelungsgefahr.

Betriebsamkeit

Die wurde vom Journalrichter auch prompt genehmigt, doch dann brach Betriebsamkeit in der Justiz aus. Die Leiterin der Staatsanwaltschaft Wien wurde informiert und hielt Rücksprache mit dem damaligen Chef der Oberstaatsanwaltschaft, Werner Pleischl, sowie dem Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek. Ergebnis: Die Festnahme wurde abgelehnt, da sie einer "Beugehaft" zur Erlangung des Tablets gleichkomme.
Ähnliches wiederholte sich im Oktober dieses Jahres: Wieder begehrte Staatsanwalt Bernhard Löw die Festnahme Weinzierls. Geändert hat sich die Causa, diesmal wurde dem Meinl-Banker Betrug im Zusammenhang mit Gewinnscheinen einer russischen Gesellschaft vorgeworfen, an der die Meinl European Land beteiligt war. Ausgelöst wurde der Antrag durch einen Bericht der Soko Meinl, in der darauf hingewiesen wurde, dass Weinzierl nach Prag gezogen sei, Häuser in Moskau und der Türkei erworben und auffällige finanzielle Transaktionen vorgenommen habe.
Diesmal kam es im Vorfeld der Hausdurchsuchung zu einer Besprechung im Justizministerium, bei der neben Pleischls Nachfolgerin Eva Marek auch Pilnacek anwesend war. Löws Antrag wurde "seitens der Oberstaatsanwaltschaft Wien und des Bundesministeriums für Justiz nicht zur Kenntnis benommen", heißt es in der Niederschrift, die dem Standard vorliegt.

"Neue Märchen"

Für die Meinl Bank sind die Vorgänge ein weiteres Zeichen dafür, dass die Staatsanwaltschaft mit "neuen Märchen versucht, das Verfahren am Leben zu erhalten", wie Weinzierl in gewohnter Schärfe formuliert. Die Bank hat eine Beschwerde gegen die jüngste Hausdurchsuchung eingebracht, in der auch alle erhobenen Vorwürfe bestritten werden. Es gilt selbstredend die Unschuldsvermutung. Weinzierl ist guter Dinge, immerhin hätten die Gerichte bisher schon 46 Rechtsbrüche der Ermittler in den diversen Verfahren festgestellt.

Die weitere Vorgangsweise der Justiz dürfte spannend werden. In der Causa Sachdividende liegt ein Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft im Justizministerium. Teile davon fanden sich irrtümlich im Altpapier des Landesgerichts Wien und den Weg ins Internet. Zum Russland-Joint-Venture soll kommende Woche ein Abschlussbericht vorgelegt werden.

Dann wäre da noch das eigentliche Kernthema, nämlich die milliardenschweren Zertifikaterückkäufe der MEL 2007, die Ausgangspunkt der Ermittlungen waren und die die Meinl Bank bereits hohe Entschädigungen an Anleger gekostet haben.

Heikle Situation

Für das kleine Institut wird die Situation langsam heikel, zumal ihm die Finanzmarktaufsicht auf die Zehen tritt. Sie hat wegen vorübergehender Unterschreitung der Eigenmittelgrenzen und mehrerer anderer Verstöße bereits Verfahren gegen die Privatbank eingeleitet. Das Institut hat neben Geschäftsrückgängen mit besagten Anlegerklagen (MEL, MAI und MIP) zu kämpfen, für die Kosten und Rückstellungen im Volumen von 88,34 Mio. Euro anfielen, zudem musste für eine hohe Steuernachzahlung eine Vorsorge gebildet werden. Während klassische Bankerträge schwinden, kommen nur noch aus dem Treuhandgeschäft nennenswerte Erlöse – diskrete Kunden v. a. aus Osteuropa legten im Vorjahr 15,82 Millionen Euro bei Meinl ab. Das entspricht mehr als der Hälfte der Gesamteinnahmen.

Die FMA erachtet Treuhandgeschäfte als einen "wesentlichen Indikator für erhöhtes Risiko der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung". Es handle sich somit um ein "Hochrisikogeschäft". Die Meinl Bank hat mittlerweile die Kritik erwidert und "Missverständnisse ausgeräumt".

(Andreas Schnauder, DER STANDARD, 6.12.2014)